Ein Geheimtipp, ein Kultfavorit, ein Film erster Klasse. Jonathan Glazers Langspiel-Debut nach einer legendär-erfolgreichen Karriere als Musikclip-Regisseur bleibt auch heute noch den meisten Zuschauern unbekannt.
Die Leiden eines Ex-Gangsters, der eigentlich nur in der spanischen Sonne vor sich hin bruzzeln möchte, den aber ein pychopathischer Gandhi aus London brutal und die Nerven dezimierend an seine Pflichten als Handlanger der verregneten Unterwelt erinnert, ist und bleibt einfach ein Klassiker.
Dabei ist die Entwicklung der Geschichte sparsam, die Wendungen mäßig, die Verdichtung der Probleme geradezu kläglich und die Erzähltiefe bestenfalls seicht.
Doch die Bildgebung Glazers rettet alles, der Einsatz von Ray Winstone, dem seine Couch-Potato Figur für nichts zu schade ist, verwandelt eine psychologisch oberflächliche Figur in ein emotionales Schwergewicht. Und dann ist da noch Ben Kingsley, herrlich psychopathisch, aggressiv, unberechenbar.
Beim erneuten Schauen ist mir aufgefallen, wie wichtig die Ankunft-Sequenzen für die Struktur der emotionalen Erfahrung sind. Der Abschied ist egal, aber die Ankunft einer neuen Figur, die Einführung, der erste Kontakt des Zuschauers mit einem fremden Gesicht ist wesentlich. Dabei verzichtet SEXY BEAST auf Dialogsätze, die der Informationsvermittlung sich unterordnen, sprich: langweilen. Statt dessen gibt es gleich eine Szene am Flughafen zu sehen, Don kommt, und er ist eine Naturgewalt, mit Glatze, weißem Hemd und faltenlosem grauem Jackett. Der Mann ist der Teufel in Person.
Ein herrlicher Film, der dramaturgisch keine nennenswerte Entwicklung für die Hauptfigur oder die Nebenfiguren bietet. Wen interessiert’s bei solch einer tollen Regie und solch einem schlicht-eindeutigen Schauspiel!