
Eine Szene, so alt wie das Kino selbst: der untergeschobene Mord. Der Mann hat ein Freudenhaus besucht, erwacht neben der Leiche der soeben noch glücklich angeheuerten Prostituierten, er kann sich an nichts erinnern und bittet den zwielichtigen Puff-Boss, um Hilfe. Die dieser ihm für eine Gegenleistung garantiert.
Diese Szene gibt es zum Beispiel bei THE GODFATHER: PART II – eigentlich ein ziemlich gängiges Motiv bei Mafia-Filmen.
Aber auch bei MISSION: IMPOSSIBLE (1996) findet sie sich, dem Meisterwerk aus der Schreibmaschine von David Koepp, Steven Zaillian und, quasi als Cherry on top: Robert Towne.
Und zwar als Opening-Sequenz.
Über die die ersten behäbigen Dialog-Zeilen mag man wohlwollend hinwegsehen. Sie dienen lediglich dem Spannungsaufbau. Trotzdem hat mich der Film von der Gerissenheit seines dramatischen Prinzips überzeugt.
Worum geht es bei dem IMF-Geheimdienst? Der Agent stülpt sich eine Maske um, imitiert eine andere Person und lässt die Zielperson, die in die Irre geführt, verführt und schließlich überführt werden soll, an eine penibel genau konstruierte Fiktion glauben. Ein Lügengespinst, um die Wahrheit aufzudecken.
Diese Beschreibung passt nicht nur für narrative Filme, sondern ist an sich schon das beste Kino-Motiv, ever!
Das Geniale bei MISSION: IMPOSSIBLE ist nun die Entscheidung, aus der Fähigkeit der Agenten, dem In-die-Rollen-Schlüpfen, eine abgeschlossene dramatische Handlung zu gewinnen.
Der Plot kann nur dem Agenten Ethan Hunt zustoßen. Und nur er kann sich in solch einem Plot bewähren.
Der Opener weist uns die Richtung:
Es geht zum einen um einen Trick wie aus einem Groschenroman (heute vermutlich eher: Selfpublisher-Ebook): Im Opener spielt Ethan Hunt einen russischen Gangster, er hält alle Fäden in der Hand. In der Geschichte des Films kehren sich die Machtverhältnisse um. Er wird zur Zielperson, die andere IMF-Teams versuchen ihn mit allen Mitteln der geheimdienstlichen Behörde zu jagen.
Der Film bejaht also die Tatsache, dass Ethan Hunt und seine Kollegen mit Taschenspieler-Tricks auf Verbrecher-Jagd gehen. Das Abgedroschene der TV-Serie aus den siebziger Jahren wird bekräftigt und dramatisch gewinnbringend umgesetzt.
Aus dieser Tatsache schält sich ein dramatischer Plot heraus. Der Film verläuft auch entsprechend wie ein IMF-Auftrag: Das Briefing ist Schall und Rauch, und zwar ganz buchstäblich, die Auflösung beinhaltet mindestens eine markante Wendung.
Ausgerechnet Ethan Hunt, der für andere Fiktionen erfindet, wird selbst Opfer von zwei Zuschreibungen: einmal der von seinem ehemaligem Mentor, und einmal der von seiner Behörde. Um der Fiktionialisierung zu entfliehen, plant er seine eigene Mission.
Und dabei riskiert er alles – in echt. Er stiehlt eine Liste mit den Agenten-Decknamen, die er einer Waffenhändlerin zur Verfügung stellen möchte. Es muss die echte Liste sein, schließlich stellt man bei IMF-Missionen selber der Einsatz. Auch darauf weist der Opener, wenn Claire, die die ermordete Prostituierte spielt, mit einer Adrenalin-Spritze wiederbelebt werden muss.
Es geht immer um alles, auch wenn alles bloß eine Fiktion ist.
Abschließend noch ein Wort zu Brian De Palmas Inszenierungsstil, die bei MISSION: IMPOSSIBLE gewohnt visuell überzeugt. Aber auch der Sound kommt nicht zu kurz: Wenn die Schauspieler in Super-Großaufnahmen sprechen, hören wir sie anders, näher, das Schlucken und die Zungenbewegungen sind – gefühlt – näher am Ohr des Zuschauers als sonst. Überhaupt vermischt sich das Sound-Editing und der Score zu einem großartigen Erlebnis.