Über leidende mittelalte Männer – FAST & FURIOUS: HOBBS AND SHAW

Wiederholtes und exzessives Fist-Bumping von Hobbs und Shaw (Promo, Universal Pictures)

Die Fäuste fliegen auch bei diesem Ableger von THE FAST AND THE FURIOUS. Dem Aufmerksamen fällt auf: Damals, beim ersten Film, wurde das verbindende „And“ im Titel ausgeschrieben.

Heute sind wir nicht nur als Zuschauer oberflächlicher. In den Kinosaal brachten die Zuschauer damals eindeutig mehr Zeit mit. Heute leidet die Dunkelheit des Kinosaals am grellen Licht von Smartphones, an der Präsenz des Außen in der zwingenden Abschottung eines Empfindungsraums.

Der Film von 2001 wärmte bis ins Detail klassische Genre-Tropen auf und benutzte sie, um – ähnlich wie das Laufen eines Motors Hitze erzeugt – genügend emotionale Spannung für Autoverfolgungsjagden und Wettrennen freizusetzen. Das Ergebnis kann sich auch heute noch sehen lassen und bestätigt die informelle Maxime, dass gut kopiert auch leicht gewonnen ist.

2019, fast zwanzig Jahre später, ist vieles anders. Mit dem Erfolg und den hohen Einnahmen hat sich die Franchise von der Realität emanzipiert und stellt Weltherrschaftsansprüche: Es gilt Superhelden und Bösewichte mit Fortsetzungspotential zum Laufen und besonders zum Fahren zu bringen. PKWs, Busse, Flugzeuge und Hubschrauber – Fortbewegungsmittel jeglicher Art bilden die Kulissen einer entgrenzten Mobilität, von der syrische Flüchtlinge nicht einmal wagen dürfen, zu träumen.

Nicht von ungefähr lassen die Helden die Muskeln für humanistische Ideale wie Humanismus und Familienbande spielen. Denn an sich entdeckt man wenig Reizvolles oder gar Sympathisches an Männern, die für halblegale Organisationen arbeiten, ihre Muskeln tagtäglich stählern und den Worten Fäuste und Drohgebärden hinterherschicken müssen, um Überzeugungskraft zu entwickeln.

Nicht so aber Hobbs und Shaw. Familie ist ihnen wichtig, sie respektieren Frauen und retten die Menschheit, sowieso.

Na, meinetwegen. Sollen sie doch.

Dramaturgisch interessant fand ich etwas anderes: Ähnlich wie sich die Hauptrolle das Action-Duo teilt, spaltet sich der Film in erzählerisch zwei gleichschwer gewichtete Hälften.

Die erste Hälfte ist komischer, leichter Natur. Sie steht im Zeichen der gegenseitigen Konkurrenz der beiden Alpha-Männer mit Familienproblemen. Ein gegensätzliches Duo, das gezwungen ist, gemeinsame Sache zu machen, um die Welt zu retten. Klassischer Filmstoff eben.

Die Genialität der verantwortlichen Autoren beweist sich aber darin, dass sie nicht einmal versuchen, die Prämisse gegen kritische Geister zu verteidigen. Stattdessen setzen sie dem noch einen drauf: In einer Parallelmontage werden die beiden Kämpfer angeheuert und von ihren buffonesquen Aufftraggebern gebrieft.

Take it or leave it, der Film ist so selbstsicher im Verkaufen seiner USP wie Dwayne Johnson im Wrestling-Ring.

Die zweite Hälfte der Erzählung ist tragisch, soweit es eine Franchise eben zulässt: Die Helden stellen sich ihren Dämonen, sie gestehen begangene Fehler ein, um sich und damit die Antagonisten zu überwinden – und die Welt zu retten.

Eine Szene verbindet beide Hälften, die komische und die tragische: Die Folter und Tortur der Helden. Der Oberschurke – gespielt von Idris Elba, dem im Vorfeld niemand verraten hat, dass man solche Schurken-Rollen nicht zu gut spielen darf – verpasst den Männern Elektroschocks. Dabei bekommt Shaw Gelegenheit, seinen Konkurrenten zu verraten, um sich selbst zu retten. Trotz all der vorausgegangenen Häme, die zwischen den beiden Kampfathleten zirkulierte, lehnt er jedoch ab und setzt damit ein Zeichen dafür, was ihm die Beziehung zu Hobbs bedeutet.

Das passiert ungefähr zur Mitte des Films. Danach wird der Film ernst.

Ich fand es verdammt schade, dass die Lockerheit der ersten Erzähl-Hälfte der Charakter-Entwicklung der zweiten weichen musste. Für mich verlor der Film dadurch viel von seinem Unterhaltungswert.

Interessant wäre für mich nun zu wissen, was Franchise-Kenner von dem Hobbs-Shaw-Paar halten?

PS: Ich habe noch nie so viele zu Fäusten geballten Hände am Stück gesehen, die zum Abklatschen oder Fist-Bumpen hingehalten wurden. Eine Kameraderie der Fäuste, die schließlich leicht in die Gruppenekstase von Massen-Kämpfen umgemünzt wird.

Ein Kommentar zu „Über leidende mittelalte Männer – FAST & FURIOUS: HOBBS AND SHAW

  1. Was ich so (aus nicht konsumierter Sicht) gehört und gelesen habe, war der Film ja durchaus unterhaltsam, was man, wenn man die Erwartungshaltung auf schnelle Action und rasante Autos runter bricht, auch für die ganze Fast and Furios-Reihe behaupten kann. Darauf einen Handschlag, kein Fistbump… 😉

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