
Es hilft, das Genre zu wechseln, und schon wandelt man auf neuen Pfaden.
Obwohl Zwillinge und genauer: erwachsene Klone zum Standard-Repertoire von Komödien gehören, zieht LIVING WITH YOURSELF seine komödiantische Prämisse aus einem anderen Genre.
Paul Rudd spielt Miles, der nach einem verhängnisvollen Spa-Besuch seinem Doppelgänger begegnet. Miles und der Doppelgänger sprechen quasi synchron, fast gleichzeitig poppen die Gedanken in ihren Köpfen auf – und auf einmal wird uns Zuschauern klar: mehr als einem Lookalike steht Miles seinem eigenen Ich gegenüber. Eine extrovertierte Version seiner Selbst. Aber auch besser? – Die Serie versucht darauf eine Antwort zu formulieren.
Wenige Spoiler für die erste Folge der Serie und den unten genannten Kinofilm folgen:
Die tragische Beziehung der erwachsenen Klone wurde schon einmal mit großem Erfolg inszeniert und für das Massenpublikum tauglich gemacht. THE PRESTIGE zeigt im letzten Akt einen grandiosen Trick: Der Zauberer verschwindet auf der Bühne und taucht im Zuschauerraum wieder auf. Eine Illusion fürs Publikum? Nein, Magie im buchstäblichen Sinn. Der Zauberer bringt sich selbst um und lässt einen Klon avant la lettre erscheinen.
Wie der Zaubertrick funktioniert, ist ein Big Reveal des Films, ein großer Umschwung, woraufhin konsequent hingearbeitet wird. Doch was den Trick erst zu einer tragischen Prämisse werden lässt, ist der Ehrgeiz des Magiers, der beste seiner Zunft zu werden. Denn nur aus diesem Grund nimmt er es auf sich, jeden Abend vor Publikum zu sterben – ohne zu wissen, ob er selber es sein wird, der dann hinter den Zuschauerreihen erscheinen wird, oder eine fremde Person. Tötet er jeden Abend einen anderen Menschen oder begeht er Selbstmord in der Hoffnung auf Wiederauferstehung?
Eine ähnliche Prämisse der Wiederauferstehung findet sich in der Netflix-Komödie. Diesmal aber beraubt vom Wissen (und bewussten Ignorieren) der tragischen Figur. Miles Elliot geht nichtsahnend zum Spa und wird nichtsahnend geklont, im Wald verscharrt und muss in Windeln nackt nach Hause rennen.
Da es sich um eine Komödie handelt, kann die Hauptfigur nicht zur Entscheidung gezwungen werden, ob sie sich klonen und dann umbringen lassen möchte. Stattdessen müssen andere diese Entscheidung treffen. Miles muss aber mit den Konsequenzen leben – und das macht die Serie erst unterhaltsam.
Was beim tragisch-düsteren THE PRESTIGE die Klimax im dritten Akt darstellt, ist bei LIVING WITH YOURSELF die Anfangsprämisse des ersten.
Bewährte Konfigurationen erfahren durch eine Verpflanzung von einem Genre zum anderen eine Frischekur. Ganz wie ein Spa-Besuch.
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