
Neu auf Netflix gibt es CONSTANTINE zu sehen, eine Comic-Verfilmung avant Marvel; sogar mit einer versöhnlichen Postcredit-Szene, die ich erst beim zehnten Schauen entdecken durfte. Seit Jahren schon versuche ich dahinter zu kommen, warum ich diesen halbgaren, halbfertigen, ungelenken und vorhersehbaren Film so sehr mag.
Der Film ist nur noch ein halber Geheimtipp. Wenn man Keanu Reeves schätzt, gegen Mainstream-Action und Happy-Ends nichts entgegen zu setzen vermag, dann ist der Film ein Kleinod.
Der Film, obwohl Mainstream, ist sichtlich unangepasst, wirkt abweisend und düster wie die Hauptfigur selbst. Fast schon zynisch wird die Trauer der hinterbliebenen Schwester behandelt. Würde sie nicht Rachel Weisz spielen, niemand könnte die Figur ernst nehmen.
Eigentlich funktioniert dramaturgisch nur das wenigste: Die Gegner sind so vielgesichtig, dass wir nie genau wissen, was und wen wir fürchten sollen. Constantine ist ein Zyniker, der seine warme Seite am Ende entdeckt – im Prinzip, aber in Wirklichkeit kommt nichts von der Entwicklung beim Zuschauer an.
Auch wirkt es merkwürdig, dass Angela, die Hauptfigur, am Ende Constantine fast einen Kuss auf den Mund geben möchte – den ganzen Film über behandelt er sie nur schlecht und ist eindeutig nicht an ihr interessiert.
Wäre es ein Teenie-Film, hätte Keanu mindestens zehn Freundinnen. Natürlich, aber wir schauen einer reifen Frau zu, ihr romantisches Interesse am Helden wirkt nie nachvollziehbar.
Der Film orientiert sich an der bewährt-amerikanischen Dramaturgie: Der erste Akt nimmt den Exorzismus des letzten vorweg, der zweite Akt fügt neue Dimensionen der Komplexität hinzu, um sie in den Dienst der Entwicklung des Protagonisten zu stellen. Die zusätzlichen Probleme ebnen dem Helden den Weg zur Lösung der finalen Herausforderung.
Der Film folgt einer konventionellen narrativen Struktur. Doch die Figuren sind es, die das Feuerspucken, Katzen massierende Baden, von Hochhäusern-Fliegen erst unterhaltsam machen.
Obwohl die Hölle droht, über die Welt hereinzubrechen, schafft es der Film nie, die Bedrohung erlebbar zu machen und ihre Dringlichkeit zu vermitteln.
Trotzdem ein großartiger Film. Warum? – Ich werde es wohl nie genau wissen…
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