THE LAUNDROMAT – der Gegenentwurf zum linearen Story-Telling

The Laundromat, Filmstill, Netflix
Jürgen und Ramón in trauter Zweisamkeit (Filmstill, Netflix)

Steven Soderbergh steht in der Tradition der Mise-en-Scène-Meister. Ähnlich souverän wie Wyler und Welles beherrscht er die Inszenierung vor der Linse und die Staffelung in die Tiefe.

Doch seine Linse ist eine digitale, das Licht strömt durch helle Vorhänge in Anwesen, Villen und Hotelsuiten. Auffällig ist, dass sich die Darsteller zum Fenster hin bewegen, als ob der Kameramann Peter Andrews (a.k.a. Soderbergh) künstlichem Licht nicht trauen würde. Das zurückgehaltene Umgebungslicht liefert den Grund für die markante Tiefenunschärfe, die die Totalen verwässert. Das Digital-Allzuscharfe, das abstoßend wirken kann, weicht der Unaufdringlichkeit von nebeligen Gesichtern, dem Durch-das-Bild-Wischen von Komparsenbeinen und der Präsenz von konturlosen Oberflächen wie Wasser.

Die Tradition der mise en scène findet ihre Fortführung und Erneuerung auf den Schultern von Soderbergh.

Wie schaut es für die Erzählung, den Inhalt des Films, aus?

Der Film gliedert sich in Kapitel, wobei auf Anflüge von Rührseligkeit, die die Story von Meryl Streep mit sich bringen könnte (z. B. wie bei ERIN BROKOVITCH) verzichtet wird. Figuren werden entwickelt und fallengelassen, um das Wirken und die Mechanismen von Geld zu exemplifizieren. Alle Szenen, in denen wir den Figuren begegnen, überraschen – sie stammen aus keinem Genre-Kanon.

Ein Film wie ein Gedankenexperiment, eigentlich, wenn es nicht auf wahren Tatsachen beruhen, wenn nicht Stars die Figuren verkörpern und Soderbergh die Szenen inszenieren würde.

Das klingt ziemlich kalt, hart, abweisend sogar, klingt nach einem Experimentalfilm, der dem Zuschauer schwer im Magen liegt.

Wieso hatte ich Spaß von Anfang bis Ende?

Die Antwort ist, dass der Film meine Neugier auf die Panama-Papers geweckt hat. Und das auf eine kluge Art, durch die direkte Anrede in die Kamera, durch buffoneske (clownartige) Charaktere, die in dieser systemhaften Gier die Übersicht behalten haben. Der Verrückte, der in wahnsinnigen Zeiten als einziger noch den Überblick behält, ist immer eine spannende Figur! (Ähnlich z. B. bei TYLL von Daniel Kehlmann…)

#stevensoderbergh #netflix #kino #panamapapers #drehbuch #inszenierung #merylstreep

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s