Über schlechte Trailer

GOLDEN TWENTIES (Filmstill, 20th Century Fox)

Trailerschnitt hat sich zu einer Kunstform entwickelt. Bemerkenswert ist, dass es gerade die hochkapitalistischen Kinoprodukte der Studios sind, die dem Marketinginstrument ein Eigenleben beschert haben.

Trailer sollen Zuschauer ins Kino locken, liefern ein Argument für Streaming-Abos, kurz: sie machen Werbung. Sie lassen ein Produkt als Antwort auf die Fragen aller Fragen erscheinen: Warum will ich gerade diesen Film, diese Serie schauen? Was habe ich davon?

Die Antwort von Hollywood auf diese Fragen hat unsere Sehgewohnheiten konditioniert.

Ich bin in dieser Woche über zwei europäische Trailer gestolpert. Anders als die durchrationalisierten Marketing-Instrumente der Amerikaner sind die Trailer nicht sonderlich gut. – Das muss eigentlich kein Argument gegen den beworbenen Film sein. Trotzdem wird in beiden Trailern etwas augenfällig, was die Serie oder der Film zu verbergen sucht.

Zuerst der Trailer zu der Serie EDEN.

Flüchtlingsschicksale usw. Schon beim ersten Sehen fallen sofort die künstlich aufgeladenen Szenen auf: Migranten regen sich über Bürokratie auf und werfen die Akten auf dem Schreibtisch um, ein Sohn verkleidet sich mit Kopftuch und die Eltern reagieren schockiert. Alles Momente, die bei mir ein rotes Licht aufleuchten lassen: Die Macher haben zu wenig Konflikt, zu wenig Drama im Plot, sie greifen auf unglaubwürdige und dumme Szenen zurück, um künstlich mehr Biss, mehr Action, in die Szenen hinein zu zaubern.

Der Trailer möchte die Serie anpreisen, offenbart aber nur die Fehler des Werks.

Ähnlich ist es mit einem aktuellen Kinofilm. YouTube sei dank wurde mir der Trailer automatisch eingeblendet: GOLDEN TWENTIES, das Coming-of-Age einer Berliner Zwanzigjährigen (oder so etwas in der Art…).

Trailer zu GOLDEN TWENTIES (externer Link via YouTube)

Der Trailer möchte hipp und spektakulär wirken. Bonbonfarbene, höchst stylische Titel werden auf die Totalen eingeblendet oder zwischengeschnitten. Doch das Hippe, das an den Meister Gaspard Noé erinnert, läuft hier komplett fehl: Die Szenen sind emotional trocken und langatmig, die deutsche Bedeutungsschwere lungert in den Bildern wie die grauen Wolken über dem winterlichen Berlin, Sophie Kluges Inszenierung schwankt zwischen Banalität und Bedeutsamkeit, zwischen zurückgehaltenem Sinn und Formwillen.

Im Versuch, sich den Sehgewohnheiten der Jugend anzubiedern, wirkt der Trailer wie ein Rentner in H&M-Klamotten: Statt das Alter zu verbergen, decken die Kleider die schrumpelige Haut auf.

#trailer #deutsch #kino #serie #arte

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