
Der Irrsinn des Vietnam-Kriegs wirkt auf den Wahnsinnigen ernüchternd. Die Prämisse von APOKALYPSE NOW ähnelt einem Charlie Chaplin Sketch: An Bord eines wild im starken Seegang schaukelnden Schiffes ist der Betrunkene der einzige, der noch gerade gehen kann.
Der Vietnam-Krieg wird im Modus der Zeugenschaft erzählt. Der Zeuge ist unser Held, Captain Willard. Er bewegt sich ausschließlich per Boot seitwärts am Urwald vorbei oder per Hubschrauber tief über den dichten Dschungel – die Heimat „Charlies“.
Er gleitet am Krieg vorbei.
Anders als in herkömmlichen Kriegsfilmen vereinzelt Coppola den Helden. Einsamkeit wird zu einem zentralen Thema. Ähnlich wie ein Kommissar in ihm fremde Milieus eindringt, aber zufällig Beobachtetes zu Indizien eines Falles formt – ähnlich fremd und doch vertraut mit dem Erblickten wirkt Willard auf dem Schlachtfeld.
Ein passiver Held also, der Grauen jedes Dramaturgen? – Überhaupt nicht. Am Mann auf einer geheimen Mission.
Aber den Weg gibt der Kapitän vor, dem der Held anvertraut ist. Also doch passiv?
Wer will denn das sehen?, könnte ein prinzipientreuer Filmdramaturg einwerfen.
Klammern wir alles Spektakuläre, alles Kinematographische, Einzigartige, Wundersame des Filmes aus, das ihn zu einem Meisterwerk des zwanzigsten Jahrhunderts und zum Zeugen einer humanitären Katastrophe gemacht hat.
Knöpfen wir uns die Dramaturgie und die Handlungsmacht des Protagonisten vor. Bringen wir den Dramaturgen zum Schweigen.
Es fällt dann in der Tat auf, dass Willard durchaus Willenskraft besitzt. Sogar mehr, als ihm lieb ist. Ähnlich wie Odysseus, der bestens über die in den Wahnsinn treibende Gesänge der Sirenen informiert ist und sich an den Mast binden lässt, um die eigene Odyssee zu überleben – ähnlich weiß Willard um seine eigenen Schwächen, um den Irrsinn des Kriegs.
Und doch protestiert er nicht, er fügt sich.
Hah!, Und wieder: Passiv!, ruft der Dramaturg. Alles, was du schreibst, spielt mir in die Hände.
Aber nein. In keiner Weise ist Willard passiv. Ein Beobachter ja, ein Voice-Over-Erzähler, ja. Aber ein Detektiv, der Colonel Kurtz verstehen muss, um sich selbst zu verstehen, der den Colonel umbringen muss, um nicht nur körperlich, sondern auch spirituell den Vietnam-Krieg zu überleben.
Ein Getriebener, ein Manischer. Ein Trauernder.
Und er ist aktiv. Er lehnt sich auf. Er legt sich nicht mit Untergebenen an, er hält sich aus ihren Anliegen fern. Aber wenn es um Autoritätsfiguren geht, um Leutnants, um Anführer, die den Wahnsinn des Kriegs anheizen und vorantreiben, dann leistet Willard auf seine Weise Widerstand.
Er stiehlt dem Walhalla-König Kilgore sein Surfbrett. Er befolgt seine Mission auf solch stoisch-fanatische Weise, dass er mordet.
Sein Boot, eine amerikanische Argo, wird zum Trophäenträger: Surfbretter, entblätterte Posterfrauen, Hundewelpen als Zeichen der verlorenen Unschuld, Kassettenaufnahmen, die die Stimme der Mutter wie einen klagenden Chor aus einer antiken Tragödie über den Leichnam des erschossenen Sohnes ertönen lassen.
Das Boot, Sinnbild des Logos nicht seit Odysseus, wird zum lebendigen Erinnerungsfahrzeug. Captain Willard trägt dazu bei.
Und schließlich: Das Finale. Er muss aussteigen, er wird von den Wild-Erleuchteten, die Colonel Kurtz folgen, hochgehoben, die Welt dreht sich, sie steht kopf. Und er muss sich bewähren, er muss das Grauen, dessen er nicht nur Zeuge wurde, sondern das er nun verstanden und verinnerlicht hat, die Stirn bieten.
Er muss sich beweisen und sich überwinden.
Wie viel mehr kann man noch von einem Protagonisten verlangen?
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Kurz gesagt: Einfach ein geiler Film.
Ganz genau 😌🤗
😁😁😁
40 Jahre: https://kinogucker.wordpress.com/2019/10/06/kino-nostalgie-apocalypse-now/