
Die HBO Serie CHERNOBYL benutzt ihr historisches Setting, um ein Argument gegen die Gegenwart in Stellung zu bringen. Sie ist zeitgenössisch, weil sie sich auf ein ganz klarer Ziel einschießt: Fake News, Lügengeschichten, staatlich tolerierte Falschinformationen.
Angesichts von Trump in den Vereinigten Staaten und anderen Autokraten, die gezielt nicht nur mit der Verunsicherung der Bevölkerung, sondern dem Begraben der Wahrheit unter einem Lügengeröll arbeiten, ist der Film das, was Kritiker gerne „aktuell“ nennen.
CHERNOBYL behauptet im Schlusswort, dass Lügen einen Preis verlangen. Die Serie veranschaulicht dies mit dem Horror des Kraftkern-Unfalls. Wenn Lügen schon die Gesellschaft zersetzt haben, dann sind solche Unfälle leicht möglich.
Craig Mazins Schreibstil ist in jeder Folge greifbar: Man merkt, Plot und Drehbücher kommen von Anfang an aus einer Hand. Die Szenengestaltung ist wunderbar amerikanisch – hollywoodienne sozusagen: Die Szenen sind immer aus einer Perspektive erzählt, sie beginnen mit einem Zustand und einer Figur, die auf eine bestimmte Art etwas tut, eine Sichtweise auf einen Zustand entwickelt hat. Dann wird dieser Zustand A zum Ende der Szene in sein Gegenteil gekippt, die Figur, um die sich die Szene dreht, muss Dinge tun, die ihr ungewohnt, wenn nicht sogar: grausam gegen die eigene Natur sind.
Die Heldengeschichte, die CHERNOBYL schreibt, ist eine Erzählung über Helden wider besseren Wissens.
Die dramaturgisch lehrbuchreife Herangehensweise an das Desaster, das 1986 stattfand, ist vielleicht der einzige Wermutstropfen, die die Serie vom Schreiben her zu bieten hat. So oder so: großartige Serie!