Verrückte Männer – über MAD MEN und Serien

Jenseits der Intriguen und der dramatischen Verwicklungen lebt das Hauptproblem aller Serien: die Serialität. Warum sollte man  Folge um Folge einer Serie schauen? Warum Woche für Woche zu der Welt zurückkommen? – Eigentlich hat man ja besseres zu tun. Die schönen Landschaften, die schönen Menschen und die noch schöneren Wohnungen, Hotelzimmer und Schlösser aus dem Bildschirm verzaubern uns, aber binden uns nicht an die Serie. Sie tragen zur Schau-Sucht bei, aber sie gründen sie nicht.

Damit Zuschauer zur Serien-Welt zurückkommen, muss sich der Stoff zur Serialität eignen. Die Welt des Dramas, die Kampf-Arena der Konflikte, muss Woche für Woche, Folge um Folge Material für Neues liefern (– das aber natürlich ausschließlich im Gewand des Gewohnten, Vorausgehenden, voranschreiten darf).

Die Erwartungen der Zuschauer an Story und Figur werden in ein Korsett geschnürt. Je genauer die Figurenzeichnung und die Story-Führung, desto leichter fällt uns der Einstieg in eine neue Serien-Welt, desto greifbarer fühlen sich die Gefühle an, die uns die Welt empfinden lässt. Die Story wirkt vertraut und überrascht uns doch — genau wie ein langjähriger guter Freund oder Freundin.

Kurz: Gute Serien lassen uns vergessen, dass sie Serien sind. Gute Serien spulen sich vor unseren Augen und Ohren ab und wir schalten immer wieder ein, weil wir a) nicht glauben können, dass sie irgendwann einmal enden werden (wissen tun wir es schon..), und weil b) die Hauptkonflikte der Serien so stark mit der entworfenen Serienwelt verbunden sind, dass sich die Serien-Welt nicht mehr vom Konflikt, vom ganzen menschlichen Drama, das die Figuren beseelt, lösen lässt. Diese Verknüpfung lässt die Serialität, herrschendes Prinzip jeder Serie, unsichtbar werden.

MAD MEN ist aus vielen Gründen ein Meisterwerk. Aber einer der wesentlichen Gründe ist, weil sich das menschliche Drama und die Serien-Welt (Werbeagentur in den sechziger Jahren in New York) so unentrinnbar verbunden haben. Keine einzige Folge (es gibt sieben Staffeln!) wirkt so, als sei sie nur geschrieben, um Screen-Time zu füllen. Jede Folge wächst aus den Bedürfnissen und Problemen der Figuren heraus — einfach großartig! Besser können Format (gebunden an Vorgaben und Budget des Senders) und Inhalt nicht zur Deckung gebracht werden.

Viele Serien, besonders die im linearen Fernsehen wöchentlich wiederkehrenden, die horizontal erzählten, haben das Problem, dass sie immer wieder ein neues Problem generieren müssen (A-Plot und ein kleiner B-Plot). Das macht aber dem Zuschauer nur halb so viel Spaß. Besser ist, wenn sich permanente Änderung anbahnt und doch die Welt den einmal entworfenen Regeln und Konflikten treu bleibt. Veränderung und Stasis, das bieten großartige Serien.

 

 

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