Ich lese gerade das Drehbuch zu I,TONYA (hier als Download zu finden). Das erste, was mich bei der Lektüre überwältigt hat, sind die Charaktere: Sie überraschen mich mit ihrer Borniertheit, Härte, Bauernschläue – und Armut. Die Geschichte versucht in der Art und Weise, wie die Figuren vorgestellt werden, den richtigen Ton zu treffen: Die Begebenheiten sind so unglaubwürdig bizarr und unwahrscheinlich aber doch wahr, kein Autor hätte sich dies ausdenken können. Und doch sehen wir einen Film, der ebenjene Begebenheiten zu einer kohärenten Story verdichtet.
Das gelingt vor allem so gut, weil die Begebenheiten durch den Autor kommentiert werden. Und zwar ganz unauffällig aber stetig. Die Autoren-Stimme ist in jeder Szene, auch wenn sie so „einfach“ und „gewöhnlich“ daherkommen.
Durch Auswahl, Aneinanderreihung, Perspektivierung schreibt der Drehbuchautor Steven Rogers seine Darstellung der Vorfälle. Aber er macht auch noch etwas ganz Schlaues, er setzt Kommentare durch das Set-Up der Szene.
Hier ein gutes Beispiel, wie sich Humor und extradiegetischer Kommentar (Kommentar jenseits der Erzählung aber in Bezug zur Erzählung) vereinen lassen:
Tonyas Mutter erzählt, ein Papagei sitzt auf ihrer Schulter. In dieser kurzen Szene rechtfertigt sie die Ohrfeigen und Gewalt, die die Tochte aus ihrer Hand erleiden musste. Die Szene geht so:
Der Papagei scheißt auf ihre Schulter während und nach ihrem Dialog. Das ist zum einen komisch, zum anderen aber merkt der Autor an: Dass der Papagei just in diesem Augenblick scheißen muss, kommentiert die Haltung des Autors angesichts des Gesagten. Was die Mutter hier sagt, ist konkret und im übertragenen Sinn: scheisse.