Von der Sparsamkeit beim Schreiben

Sparsamkeit ist ein Gewinn für die meisten Texte, besonders aber für Drehbücher.

Eine Anekdote: Mein Sohn, er ist keine zwei Jahre alt, blättert in einem erzählenden Comic. Er sieht ein abhebendes Flugzeug, ist begeistert, Flugzeuge bedeuten ihm viel, und er blättert weiter. Auf der nächsten Seite ist aber kein einziges Flugzeug zu sehen, nicht einmal ein Flughafen. Er hebt enttäuscht beide Arme und schaut mich vorwurfsvoll an: Flugzeug?

Was ist geschehen? – Er wollte ein Flugzeug sehen, bekam aber eine andere Geschichte präsentiert. Enttäuschte Erwartungshaltung, das Grauen aller Erzähler. Das gezeigte Detail war für die Welt beiläufig, im Hintergrund, es ging um etwas anderes.

Gehen wir davon aus das wir kognitiv versierte Zuschauer und Leser sind und ganz professionell zwischen wichtigen und unwichtigen Elementen in Erzählungen unterscheiden können. In Filmen, wenn die Geschichte in kausale Zusammenhänge geklammert wird, können wir Beiläufiges vom Sinnstiftenden unterscheiden. Je besser der künstlerische Wurf, desto mehr lassen sich alle Elemente in einen Sinnzusammenhang fügen.

In Drehbüchern, der ersten Stufe der Filmerfahrung, stellt sich die Frage nach Sparsamkeit ganz konkret: Wie viel Szenenbeschreibung ist wichtig, was muss hier der Leser / die Leserin wissen, damit die Story funktioniert? Sparsamkeit ist also wichtig, um die Ungeduldigen nicht zu vergraulen, zum einen. Zum anderen aber um den Weltentwurf, den besonderen Ton einer Geschichte zu treffen. Wenn sich das Geschriebene an einem fiktiven Leser orientiert, ein Bewusstsein für die einzelnen Momente in der Geschichte als Momente eines Plots aufweist, dann klappt es auch mit der Spannung und den Gefühlen im Erleben der Zuschauer.

Sparsamkeit im Schreiben kreuzt sich manchmal auch mit der Sparsamkeit beim Filmemachen: Das berühmteste Beispiel, ich weiß nicht mehr, in welchem seiner Filme: Charlie Chaplin am Bahnhof vor einem einfahrenden Zug. Wegen Geldmangel sehen wir nur ein Lichtspiel aus Lichtern, die über den Bahnsteig und Chaplins Gesicht huschen. Die Poesie der Szene wäre banal, würde ein richtiger Zug einfahren. Stattdessen wird der Zug im Bildausschnitt angedeutet und im wandernden, zitternden Licht verlebendigt. Charlie Chaplin wurde gefragt, wie er denn auf so eine wunderbare Idee für eine Zugeinfahrt gekommen sei. Die Antwort: Wir hatten kein Geld für einen richtigen Zug. Sparsamkeit wurde hier zum Prinzip erhoben. Nicht nur beim Schreiben.

Mein Schreibtipp für einen guten Start in die Woche!

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