HEAT – Genre Filme und Autorenfilme

HEAT habe ich gestern vermutlich zum zwanzigsten Mal gesehen. Auch bei dieser Sichtung hat der Film in mir dieselben Gefühle und dieselbe Begeisterung wachgerufen wie bei der ersten. Ich will kurz in ein paar Blog-Einträgen zeigen, was das Geniale an HEAT ist, welche Details diesen Film zu einem „gefühlt perfekten“ Spiel- und vor allem Genrefilm machen.

HEAT ist ein Film, der einem (unpersönlichen) Genre und einem Oeuvre eines sogenannten Autorenfilmer zugeordnet werden kann. Beide Kategorien anhand desselben Films unter einen Hut zu bringen ist oft schwierig. Wenigen Filmen gelingt dies, ein weiteres Beispiel dafür ist CHINATOWN von Roman Polanski, Buch von Robert Towne.

Ein Oeuvre zeichnet sich durch den innovativen, einmaligen Umgang mit einem Stoff aus, die geschickten Hände des Drehbuchautors und Regisseurs kleiden einen Stoff in ein neues Gewand, das nur diese Hände herstellen und zurechtschneiden können, ein Oeuvre gründet sich quasi auf wiedererkennbaren ästhetischen Mitteln und fiktiven Figuren-Eigenschaften, die wiedererkennbar sind.

Ein Genre hingegen ist einem Regelsystem verpflichtet, das zeitlich vor dem Film existierte. Die Autorenschaft eines Genres ist unbekannt, es existiert, leibt sich Trends und Filme und Zeichenkulturen ein, es ist ein Zeichensystem, das jenseits der Filme existiert, die es begründen. Filme sind als Massenmedien, wie Umberto Eco schrieb, vor allem zwei Dinge zugleich: Sie sind genealogisch (ein Film kommt nach einem anderen Film, greift auf Errungenschaften des Vorgängers zurück und modifiziert sie, Filme stehen in einer Tradition) und sie haben keine Erinnerung (niemand weiß nach einer längeren Kette von Imitationen, wer mit was angefangen hat, wo war der Ursprung?).

HEAT wäre also bemüht, fern von jeglicher Autoren-Ambition, sich in eine Tradition und einen bestimmten Umgang mit Themen, Figuren, fiktiven Welten einzuschreiben. Die Figuren, die wir in HEAT erleben, leben als Archetypen, Klischees, „Vorlagen“ vor dem Film, sie sind wie ein Programmiercode, der immer neu geschrieben werden muss, um als Anwendung zu funktionieren.

HEAT ist die Interpretation eines Genres durch einen Autor – ich denke, das kann man durchaus sagen und denke z. B. an die Liebesszene von O’Hara und seiner Frau im Bett. Die Szene nimmt viele stilistische Mittel vorweg, die wir in Michael Manns nächsten Filmen begegnen werden. Auch die besondere Szenografie, das Staging mancher Szenen sind klar das, was man in den siebziger Jahren eine Handschrift nannte. Der Autor schreibt mit Film.

Ich mag aber nicht diese Art über Filme zu denken. Sie ehrt nicht die Entscheidungen, die einem Film zu Grunde liegen, diskreditiert und diskriminiert die kräftezehrende Arbeit, die ein hundertköpfiges Team an Filmschaffenden über Monate hinweg leisten muss, um zusammen mit einem Regisseur einen Film zu erschaffen. Und ich mag diese Lesart nicht, weil sie die Spannung von zwei Zeichensystemen (Schrift und Bild) ausnutzt: Sollen Filme idealerweise Romane sein? – Bloß nicht. Sagen Bilder mehr als tausend Worte? – Ja und nein. Sollen am Ende Filme Nationen repräsentieren? – Die Autorentheorie fußt nämlich auf der Annahme, dass bestimmte herausragende Autoren für ein Volk, für eine Nation sprechen könnten. Sind nur die Filmemacher, die Filme „schreiben“ können, „richtige“ Filmemacher?

Die Fragen haben mich nie weitergebracht – und außer ein paar amüsanten Artikeln von französischen Denkern kann ich gerne auf diesen Fragekomplex verzichten.

In den folgenden Blogartikeln schreibe und sehe ich HEAT als Genre-Film und zeige, worin sein Innovationspotential liegt und wie komplex Genre (ja, dieser Begriff, der in Deutschland nur hinter vorgehaltener Hand und oft mit Herablassung ausgesprochen wird) sein kann.

Fortsetzung folgt

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