THE BAD BATCH

Genre-Filme kann man oft über den Exzess im Verhältnis zur Handlung definieren: Action-Filme betonen die Bewegung, die Explosion, die gezückte Waffen; Porno-Filme zeigen Genitalien und breiten Körperflüssigkeiten vor uns aus; Horror-Filme geben der gruseligen Atmosphäre Vorrang; das Melodrama betont das Recht der Gefühle gegen die harten Fakten des Lebens usw. Jegliche Klassifikation von Filmen in eindeutig geschiedene Genres ist natürlich ein Konstrukt, d. h., man muss die Kriterien anerkennen, an die Unterscheidung vor dem Film glauben, um den jeweiligen Film einer Genre-Kategorie zuordnen zu können.

THE BAD BATCH (auf Netflix zu sehen) zum Beispiel ist wieder einer der Fälle, in der eine klare Grenzziehung zwischen den Meta-Genre-Begriffen besonders schwierig ist. Ist es ein Horror-Film, ein berüchtigter Arthouse-Film („Film mit Anspruch“), ein Action-Film, ein Coming-of-Age-Film…?

Schwierig, die Frage zu beantworten, eine Genre-Mischung ist der Film natürlich. Aber bei Filmen sollte man nicht zu viele Genres auf einmal mischen, Irritation beim Zuschauer ist oft der Preis für einen laxen Umgang mit der Geschichte der Kino-Instution und seiner Praktiken.

Der Film ist eigenwillig, der Stil gewinnt bei Ana Lily Amirpour klar die Oberhand über die Handlung, die damit sehr mager ausfällt. Ich will gar nicht erst in den Handlungsstrang und die fiktive Welt in THE BAD BATCH einsteigen. Der Film überrascht in seiner Radikalität gleich am Anfang. Und danach nicht mehr.

Eine der ersten Szenen: Die Hauptfigur wird in der Wüste gefangen genommen und erwacht angebunden auf dem Boden. Ein Grill wird angezündet und als Zuschauer weiß man, was nun folgt. Aber man hofft, dass sie gerettet werden wird. Nicht, weil man die Figur so sehr mag oder sich in sie einfühlen möchte. Sondern weil im Kino Kannibalismus eine Extrem-Situation ist, ein Aussetzen der Handlung, da er alle (Figuren im Film und Zuschauer) überwältigt. Kannibalismus muss sorgfältig komponiert werden, wenn es in einem anderen Genre als im Horror- oder Thriller-Genre auftaucht.

Hier aber verliert sich das Maßlose, das Ungeheuerliche des Kannibalismus in wenigen Großaufnahmen, ein paar lauten und geschluchzten Schreien. Es bleibt unerträglich, klar, aber es ist nicht sonderlich filmisch. Schwarz auf Weiß zu Papier gebracht hätte die Szenen denselben Eindruck auf mich gemacht. Um diesen kannibalistischen Akt aber filmisch in Szene zu setzen, hätte es eine klare Unterscheidung der Perspektive der Figur, mehr Empathie mit der Figur (ein besseren Hinarbeiten zu der Szene) und „weniger“ Glam-Look benötigt.

Die Intention des Films ist klar: Die Figur erlebt diesen unsagbaren Moment, aber sie lässt ihren Mut nicht sinken, bäumt sich auch nach dieser Tortur auf. – Okay, aber filmisch könnte man das bestimmt anders und eindringlicher machen.

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