JU DOU

Filme überraschen mich nicht mehr. So dachte ich, bis ich JU DOU sah. Zhang Yimou hat ein Meisterwerk erschaffen, das als Erzählung überwältigt und in seiner Bildsprache mitreisst.

JU DOH basiert auf einer Romanvorlage, die für die filmische Aufbereitung etwas entschärft wurde. Inzest spielt kein große Rolle mehr, die destruktiven familiären Beziehungen bleiben aber Stützpfeiler der Tragödie. Eine kurze Inhaltsangabe liest sich in etwa so:
Die Schönheit Ju Dou wird an den Färber Yang Jin-shan verkauft. Er ist ein Sadist und hat auch seine beiden Frauen vor ihr gequält. Ju Dou soll ihm einen Sohn gebären. Nur: Er ist unfruchtbar. Nachts wecken ihre Schreie auch Yang Tian, den Adoptiv-Neffen Yang Jin-shans, der auch in der Färberei seines Adoptiv-Onkels arbeitet und lebt. Es entwickelt sich eine verbotene Liebe zwischen Adoptiv-Tante und Neffe und sie wird schwanger. Yang Jin merkt zuerst nicht, dass ihm der Junge untergeschoben wurde, als er es herausfindet, will er das Kind töten. Doch der Junge spricht ihn mit Vater an und Yang Jin erkennt den Jungen offiziell als seinen Sohn an. Die Liebesgeschichte Ju Dous und Yang Tians bleibt der Öffentlichkeit ein Geheimnis, das Paar arrangiert sich aber mit Yang Jin-shan und sie leben alle zusammen unter einem Dach. Yang Jin verstirbt eines Tages. Jahre vergehen, der Sohn ist nun ein Teenager, er hört von den Gerüchten, dass seine Mutter mit ihrem Neffen das Bett teilt – das macht ihn zornig. Eines Tages entdeckt ihr Sohn die verbotene Liebesaffäre seiner Eltern, woraufhin er vor Wut seinen leiblichen Vater ertränkt. Die Färberei wird von Ju Dou niedergebrannt.

Eine harte Tragödie. Man sieht das Ende kommen, klar. Die Inszenierung der Geschichte aber ist phänomenal, das liegt an mehreren Gründen:
– das Bildformat: die Weite der Panoramen, die Enge des Dorfes im passenden technischen Bildformat, das auch die Überblendungen elegant und fließend erscheinen lässt
– die Farbe: ein Technicolor-Film wie aus der Zeit gefallen, genau passend für den Look eines chinesisches Dorfes in den 20ern – nicht auf der Höhe der Zeit aber wundersam schön anzuschauen
– die Inszenierung der Farben – Zhang Yimous Stilelement: Die Färberei wird je nach emotionaler Lage der Erzählung mit unterschiedlich gefärbten Stoffen ausgestattet. Soweit ich es sehen konnte: Gelb für Status Quo – Herrschaft des Sadisten; Rot für die Leidenschaft (wunderbare Sexszene: Sie haben Sex und der Stoffballen entrollt sich dank Cut-Away komplett ins Wasser), Blau für Frieden und Ruhe (sie machen einen Ausflug an einen Bach und färben im Freien, danach ist der Stoff in der Färberei blau, die Harmonie steht)…
– Inszenierung des Raumes: Die Färberei profitiert von mehreren Ebenen: das Schlafzimmer der Braut liegt im ersten Stock, der Neffe schläft unten, nah am Stall, für das Färben der Stoffballen braucht es eine Konstruktion, die wie eine Leiter hoch in den Himmel ragt (es gibt eine asymmetrische Blickkonstruktion zwischen oben und unten, zum Beispiel, wenn Ju Dou Yang Tian ihr Herz ausschüttet und er oben zuhört und nicht handelt; parallel dazu: Ju Dou wartet oben vor ihrem Schlafzimmer auf Yang Tian, dass er den Mut endlich hat, zu ihr zu kommen; er traut sich aber nicht, die Treppen hoch zu steigen…. sie muss also in der Beziehung zuerst zu ihm niedersteigen, woraufhin auch Yang Tian zu ihr kommt.)
– die Bildführung / mise en scène: keine langweiliges amerikanisches Covern der Blickachsen, sondern genaues Setzen der Kamera, Herrichten des Raumes für den einen Blick; Spiel mit den Ausschnitten aus den Räumen, eine einfache geografische Orientierung erschließt sich erst im Laufe des Filmes, nicht aber am Anfang
– das Tempo der Erzählung: es gibt keine Szene, wo die Figuren mit leidendem Gesicht in die Landschaft schauen, groß nachdenken oder melancholisch der Dinge harren: sie reagieren, hören, schauen, fühlen, weichen aus, lachen, schämen sich und verzehren sich nach dem anderen. Sie sind immer aktiv und die Kamera interessiert sich ausschließlich für diese Momente
– das Gefühl, dass die Filmemacher wissen, was sie tun…. das wichtigste Gefühl, das man den Zuschauern vermitteln kann – priceless

 

Das waren meine Beobachtungen. Über Ergänzungen freue ich mich!!

Ein Filmklassiker neu restauriert in der Arte Mediathek: Yimou Zhangs JU DOU. Eine tragische Liebesgeschichte in der chinesischen Provinz vor der Industrialisierung. JU DOU ist noch in der Arte Mediathek abrufbar. – Stand: Oktober 2017.

 

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s