Eine Gedankenskizze: Woher dieses schale Gefühl am Ende eines Films, jeden Films, selbst am Ende eines Films, den man mochte? Dieses Gefühl der Enttäuschung, wenn die Welt der Fiktion, die Welt der ewigen Liebe, der überkommenen Gefahren, gewonnen Einsichten verlassen werden muss?
Der Schritt hinaus aus der Welt der schönen, ausdrucksstarken Menschen, der Welt der eindeutigen Zeichen und leicht zu entziffernden Doppeldeutigkeiten enttäuscht. Dies hat wenig mit der Beschaffenheit der Welt zu tun, die wir für fast zwei Stunden erleben durften. Das Gefühl, im Stich gelassen worden zu sein, hängt sich am Medium auf, an der Bewegung.
Die Bewegung der Menschen im Bild, der Dinge, der Kamera im Raum und des Voranschreitens der Erzählung weckt Hoffnung, weckt auch Bedürfnisse und Wünsche (nicht umsonst ist in der Filmtheorie die Psychoanalyse prominent vertreten). Unsere Fantasie wird an die Bilder festgebunden und atmet wie durch eine Sauerstoffmaske die Begebenheiten, Regeln und Vorfälle der fiktiven Welt ein. Der Film ist der Sauerstoff unserer Fantasie.
Zugleich haucht unsere Fantasie der filmischen Welt ihr Leben ein: Ohne unsere Bereitschaft, Kontinuität zu erkennen, wo es auch bei bestem Willen keine unmittelbare gibt (- der Schnitt macht alles zunichte, die Anschlussfehler sind das notwendige Übel, das sich in jede Produktion einschleicht) oder unsere Hilfsbereitschaft, den Schauspielern ihre Rollen „abzukaufen“, gibt es keinen Film, keine filmische Erfahrung. Es gibt nur die DCP-Kopie, die Datei auf dem Laufwerk – in alten Zeiten: die Filmrolle.
Die Enttäuschung am Ende des Films rührt nicht von unserer Angst her, wieder die filmische Welt verlassen und wieder bei uns allein sein zu müssen. Wir sind schon immer bei uns und der Film funktioniert nur, weil wir immer nur wir selbst sind: denkende, fühlende Subjekte, die sich empathisch in andere hineinversetzen und Zeichen sehen, deuten und eine Welt als Bild und Ton Ereignis erleben können.
Wir sind enttäuscht, weil unsere Fantasie auf einmal auf die stumpfen Dinge des Alltags zurückgeworfen wird. Auf das, was bleibt. Der Film aber, Kunst in der Zeit, war ein Versprechen, dem wir Glauben geschenkt haben: Glaube mir und ich werde dich unterhalten, dich fortführen und dich die Welt neu sehen lehren, meine Sicht auf Dinge und Menschen wird deine gewohnte Sichtweise ergänzen, neu ausrichten. Auf ewig, denn als Kunst der Zeit kann im Moment der Erlebens das Ende nicht gedacht oder empfunden werden. Wir schieben das Ende immer weiter auf, denn unser wissen darum würde uns alles vermiesen – den Film, den Moment, selbst den Geschmack des Popcorns.
Die Enttäuschung über das Ende des Films ist also die Einsicht in die Endlichkeit des Daseins. Dass alles einmal endet und enden muss. Das Versprechen, das uns Filme geben, bleibt schal, verlogen. Aber trotzdem besser als das meiste, was wir aus unserem alltäglichen Leben kennen.
Das gleiche lässt sich auch über Bücher sagen, und Serien sowieso.
Bei Serien stimme ich dir gerne zu, ähnlich wie im Kino ist man leicht enttäuscht, denn die Lebendigkeit, die die Bilder versprochen haben, wird einem schließlich entzogen. Bewegung ist der Zauber, der die Lebendigkeit in die Bewegung holt. Deshalb denke ich, dass diese Erfahrung (die Enttäuschung über das Ende der Lebendigkeit, das Ende des Vitalen und Belebten) nur in audiovisuellen Medien zu finden ist.
Bei Prosa, Literatur, Büchern etc. funktioniert diese Erfahrung vielleicht anders, weil das Medium anders ist? – Bin eigentlich eher der Filmmensch, auch wenn ich gerne und viel lese 🙂 🙂
Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass du Büchern Lebendigkeit und Bewegung absprichst. 😀 Die Bilder sind dann eben in deinem Kopf, wobei die Wirkung manchmal sogar noch intesiver und der Abschiedsschmerz größer ist, weil es du die Bilder selbst kreierst.
🙂 🙂 klar gibt es Bewegung und Lebendigkeit in Büchern. Ist ja Bestandteil jeder Geschichte. Und das mit dem Abschiedsschmerz kann ich vollkommen nachvollziehen, liebgewonnene Charaktere, mit denen man was durchgemacht hat, will man nicht missen. Trotzdem: Beim Film ist es anders, die Erfahrung, die in der Rezeption gemacht wird, ist eine andere als beim Bücherlesen. Auf der Ebene der Geschichte hast du vollkommen recht, aber wenn es um die beiden Medien geht (Filmrezeption, Bücher lesen) kann man den Unterschied durchaus an der Bewegung festmachen: Beim Film ist Bewegung stärker, weil Bilder dich körperlich affizieren, bevor die Geschichte überhaupt beginnt, bevor du anfängst, die Menschen im Bild als Figuren einer Geschichte wahrzunehmen und die dargestellte Welt als die fiktionale Welt, wo sich eine Geschichte vor deinen Augen ereignet und dich hineinzieht 🙂 Im Buch hingegen sind „vor“ der Geschichte nur schwarzweiße Seiten, Buchstaben, Wörter, die Paragrafen. Kannst du nachvollziehen, was ich so schreibe? oder bin ich grad aufm falschen Dampfer…. verdammt, hörte sich ganz gut an eigentlich 🙂
Hört sich gut an, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich dir da folgen kann. 😀 Die fiktionale Welt ist für mich ja nur mit der Geschichte interessant, weil sie nur dann eine Bedeutung hat. Nun wird es aber vielleicht zu philosophisch. 😀