Wieder eine großartige Staffel, die selbstsicher auf packende Höhepunkte zugunsten von leisen Andeutungen und Veränderungen, die uns an den Bildschirm fesseln, verzichtet: BETTER CALL SAUL, die dritte Staffel.
Das Spiel mit der Erwartung des Zuschauers beeindruckt. Die Konflikte werden zugespitzt, um zuerst verweigert, dann doch wie vorausgesehen auszubrechen. Doch ziehen ihre Konsequenzen nie nur die kämpfenden Parteien mit sich, sie gehen auch die Nähsten, die Vertrauten an und verändern somit die Spielregeln des Kampfes. Hier erstaunt der unerwartete Umgang mit Forshadowing, mit der Andeutung der Gefahr, die in der Ferne liegt, aber trotzdem da ist.
Dafür setzt die Serie leise Szenen ein, die die Figuren in Alltagshandlungen zeigen. Die Serie nimmt sich dafür Zeit, wir schauen zu, wie sich Nacho Varga beim Nähen die Nadel der Nähmaschine in seine Hand sticht – unachtsam, er war in Gedanken. Wir wissen, worauf dies anspielt: Die Szene ist gut platziert nach einer meinungsverschiedenheit mit seinem Boss. Wir wissen, dass Varga sich „in sein eigenes Fleisch schneidet“ und schneiden wird: Nachos Boss möchte die Firma seines Vaters übernehmen, Nacho weiß, welcher Konflikt ansteht, wie sein Vater zu ihm und zum Boss steht. Sehendes Auge in die Katastrophe hineinschlittern – eine Nähnadel, die sich schwer vom Fleisch abziehen lässt, kann dies ausdrücken.
Eine andere Szene, die eine überraschende Wendung andeutet: Kim Wexler, eine überarbeitete Top-Performerin hat sich zu viel aufgebürdet, sie steigt in ihren Wagen, sie will zum nächsten Termin eilen, aber ihr Vorderrad ist im Schlamm festgeblieben. Sie schiebt ihr Auto aus dem Schlamm, sie drückt zu stark, der Wagen fährt alleine weiter, fährt in Richtung einer Ölpumpe. Sie stürmt vor, steigt ein, bremst, bremst in letzter Sekunde und verhindert einen Zusammenprall. Ausatmen, ein kleiner Schock. Routine setzt aber gleich ein, sie fährt los, sie diktiert in ein Diktiergerät, die Arbeit hat sie wieder.
Wir tun die Szene als Zeichen für ihre Müdigkeit, ihre Erschöpfung ab. Sie bürdet sich zuviel auf, sie muss aufpassen, sie arbeitet verbissen, sie schont sich nicht und reibt sich auf.
***Spoiler*** Später, der Cliffhanger der Folge: sie fährt in ihrem vollgepackten Wagen zu einem wichtigen Termin. Harter Schnitt. Sie wacht auf, der Kopf schnellt zurück, der AirBag haucht seine Luft aus, die Fenster sind zu Bruch gegangen, die Akten überall verstreut. Der Unfall ändert für sie alles, sie nimmt sich zurück, Arbeit beherrscht nicht mehr ihren Leben.
Das Drehbuch nimmt diesen Unfall, der wie die meisten Unfälle Deus Ex Machina sich ereignet, durch die erste Szene mit dem Wagen voraus. Das Forshadowing der ersten Szene zielt auf diesen Cliffhanger, der Unfall, der in Kims Müdigkeit begründet ist, wird so vorweggenommen und angedeutet. Damit bleibt der Unfall stilistisch in die Serie eingebettet, ihre Vehemenz ordnet sich den leisen Veränderungen, den zurückgehaltenen Höhepunkten unter.